
Unsicherheit gehört zunehmend zum Berufsalltag dazu – ob durch technologische Entwicklungen, wirtschaftliche Krisen oder Veränderungen im Unternehmen. Viele Beschäftigte erleben solche Phasen als belastend oder sogar bedrohlich. Doch entscheidend ist nicht allein die Situation, sondern wie Sie damit umgehen.
Der erste Schritt ist dabei, die Unsicherheit verstehen. Psychologische Mechanismen erklären, wieso manche Personen stärker unter Unsicherheit und Krisen leiden, als andre.
Warum sind manche durch Krisen und Unsicherheit stärker belastet als andere?
Ob eine Situation Stress auslöst, hängt maßgeblich davon ab, wie wir sie bewerten. Während manche Menschen eine unsichere Situation als bedrohlich erleben, sehen andere darin eine Gelegenheit zum Wachstum. Diese Einschätzung ist subjektiv und individuell unterschiedlich.
Studien während der COVID-19-Pandemie zeigten beispielsweise, dass Menschen, die Unsicherheiten mit einem vorsichtigen Optimismus bewerteten („Positive Appraisal“), mental deutlich gesünder blieben – trotz starker Einschränkungen und großer Unsicherheit (Veer et al., 2021). Positive Appraisal bedeutet dabei, sich nicht stetig den schlimmstmöglichen Ausgang der Situation auszumalen. Vielmehr sollte man einen realistischen, aber eher positiv getönte Entwicklung im Blick behalten. Bildlich gesprochen: Nicht die rosarote Brille, aber auch nicht den Kopf in den Sand stecken. Vertrauen Sie, darauf, dass es auf lange Sicht gut wird. Nicht alles bleibt so wie es ist, aber wir werden uns daran anpassen.
Wie gelingt eine positive Sicht in unsicheren Zeiten?
Eine realistische und dennoch leicht positiv getönte Sicht klingt gut. Doch wie gelingt „Positive Appraisal“ konkret?
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Betrachten Sie Herausforderungen bewusst als mögliche Lernchance.
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Fokussieren Sie sich auf das, was Sie aktiv beeinflussen können.
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Notieren Sie regelmäßig Erfolge, die Ihnen trotz Unsicherheiten gelungen sind.
Beispiele und weitere konkrete Tipps für den Umgang mit Krisen und unsicheren Situationen
Für einen gesunden Umgang mit Krisen und unsicheren Situationen gibt es weitere Tipps, wie die folgenden Beispiele zeigen:
Beispiel 1: Wirtschaftliche Unsicherheit: „Ist mein Job noch sicher?“
Technologische Umbrüche oder wirtschaftliche Krisen erzeugen oft Angst vor Arbeitsplatzverlust und Zukunftssorgen.
Tipps und konkrete Schritte:
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Szenario-Technik („Dekatastrophisieren“): Fragen Sie sich, was das schlimmste realistische Szenario wäre – und überlegen Sie, wie Sie konkret damit umgehen könnten.
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Weiterbildung und Netzwerke nutzen: Prüfen Sie, welche Qualifikationen Ihre Beschäftigungschancen verbessern. Aktivieren Sie berufliche Netzwerke, um Perspektiven zu gewinnen.
Berufliche Neuorientierung: „Soll ich meinen Job wechseln?“
Unsichere Zeiten verstärken oft Entscheidungsängste. Sowohl die aktuelle Situation ist belastend, gleichzeitig scheint unklar, ob eine Veränderung Verbesserung bringt.
Tipps und konkrete Schritte:
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80 %-Regel: Warten Sie nicht auf perfekte Informationen. Sobald Sie rund 80 % der relevanten Fakten haben, treffen Sie eine Entscheidung.
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Reversible vs. irreversible Entscheidungen: Je leichter eine Entscheidung rückgängig zu machen ist, desto schneller sollten Sie entscheiden. Bei irreversiblen Entscheidungen bevorzugen Sie Optionen, die langfristig möglichst viele Möglichkeiten bieten.
Was erschwert Entscheidungen in unsicheren Situationen?
Unsicherheit erschwert Entscheidungen, vor allem aus zwei psychologischen Gründen. Erstens spielt die Verlustangst (Loss Aversion) eine Rolle. Das bedeutet, Verluste sehen wir deutlicher und wiegen für uns emotional stärker als mögliche Gewinne. Und so führt die Angst, falsche Entscheidungen zu treffen, zu Entscheidungsvermeidung. Zweitens haben wir eine Ambiguitätsintoleranz. Das bedeutet, dass wir unsichere Situationen grundsätzlich als unangenehm empfinden. Am liebsten vermeiden wir Unklarheiten und ziehen eindeutige Situationen vor. Dadurch kann es passieren, dass ich unsicheren Situationen Entscheidungen hinausgezögert werden.
Wie kann man bessere Entscheidungen trotz Unsicherheit treffen?
Folgende Strategien helfen Ihnen trotzdem entscheidungsfähig zu bleiben:
- 80 %-Regel: Perfekte Informationen existieren selten. Wenn Sie etwa 80 % der relevanten Informationen haben, reicht das für eine fundierte Entscheidung.
- Reversible vs. irreversible Entscheidungen: Bei reversiblen Entscheidungen: zügig entscheiden. Bei irreversiblen Entscheidungen Optionen wählen, die langfristig möglichst viele Chancen bieten.
Führung in unsicheren Zeiten: Was Führungskräfte tun können
In Krisenzeiten schauen Mitarbeitende besonders auf ihre Führungskräfte. Diese haben daher eine zentrale Rolle im Umgang mit Unsicherheit. Wesentlich ist es für Führungskräfte dabei einerseits Ihre Vorbildrolle bewusst einzunehmen und andererseits einen verlässlichen Rahmen in unsicheren Zeiten zu schaffen. So stärken Sie gleichzeitig Ihre persönlichen Ressourcen sowie die Ihrer Mitarbeitenden.
Tipps für Führungskräfte in unsicheren Zeiten:
- Psychologische Sicherheit schaffen: Mitarbeitende sollten wissen, dass sie Unsicherheiten offen ansprechen können. Lassen Sie sie wissen, dass Fehler konstruktiv angehen und Sie eine offene Tür für sie haben.
- Transparente Kommunikation: Kommunizieren Sie klar und ehrlich, was bekannt ist und was nicht – auch wenn dies unangenehm ist.
- Positive Appraisal vorleben: Sehen und kommunizieren Sie Unsicherheiten bewusst als Chancen und Herausforderungen.
- Vorbild in Selbstfürsorge: Zeigen Sie offen, wie wichtig Selbstfürsorge ist, und ermutigen Sie Mitarbeitende dazu.
- Unterstützung aktiv anbieten: Machen Sie Beratungs- und Unterstützungsangebote transparent und leicht zugänglich.
Fazit: Unsicherheit bewältigen und daran wachsen
Unsicherheit ist Teil des Berufslebens. Entscheidend ist, wie Sie damit umgehen. Kurzfristig helfen konkrete Techniken, langfristig stärken Resilienz und positive Bewertung Ihre mentale Gesundheit. Führungskräfte spielen dabei eine wichtige Rolle, indem sie Orientierung bieten und positive Verhaltensweisen aktiv fördern.
👉 Überlegen Sie sich, welche der genannten Strategien Sie als nächstes ausprobieren möchten. Wenn Sie Führungskraft sind, welche Unterstützung könnten Sie Ihrem Team kurzfristig anbieten?
Zum Weiterlesen:
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Amanvermez et al. (2023). Stress management interventions for college students. Clin Psychol Sci Pract, 30(4), 423–444.
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Lazarus & Folkman (1984). Stress, appraisal and coping. Springer.
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Veer et al. (2021). Positive appraisal style predicts resilience during COVID-19 lockdown. Translational Psychiatry, 11, 1–10.
Gerne unterstützen wir Sie persönlich als Arbeitnehmer:in, Selbstständige oder Führungskraft beim Umgang mit Unsicherheiten. Schreiben Sie uns hierfür einfach und vereinbaren Sie einen Kennenlerntermin. Gemeinsam besprechen wir, welches Format und welche Schritte für Sie passen.